2021-02-10 Kunst statt Kuchen - 40 Jahre Cafe Hahn

Auch mit leerer Bühne atmosphärisch: Im Café Hahn scheint bereits die Raumgestaltung Kultur zu atmen. Wem das nicht reicht, der findet an Decken und Wänden zahlreiche Reminiszenzen an vergangene und vielfach unvergessene Abende.

Einst Supermarkt, dann Konditorei ist das Café Hahn heute als Kulturklub eine Marke - Vor vier Jahrzehnten begann alles mit einem Klavier


Wer heute in Koblenz - und teils weit darüber hinaus - den schemenhaften knallgelben Schnabel zwischen kronenförmigem Kamm und lang gezogenem Lappen sieht, der denkt nicht zwangsläufig zuerst an die lebende Vorlage in dichtem Federkleid, sondern vielmehr an Kabarett und Konzerte, an Varietés und Festivals. Das Café Hahn, die Institution hinter dem Logo, ist längst eine strahlkräftige Marke, deren Name auch in Frankfurt, Köln oder Mainz ein Begriff ist.

Dass in der Neustraße 15 in Koblenz-Güls heute (Klein-)Kunst auf der Bühne statt Kirschtorte auf dem Kanapee serviert wird, ist dabei einzig dem Umstand geschuldet, dass der ursprünglich in dem dortigen Bau beheimatete Betrieb nicht so lief, wie er sollte. „Ich wollte hier eigentlich eine klassische Konditorei inklusive Café aufziehen, aber dafür ist Güls einfach der falsche Standort. Also musste ich mir was einfallen lassen, wie ich mehr Leute in den Laden bekomme", erinnert sich Berti Hahn, gelernter Koch und Konditormeister, inzwischen jedoch längst nur noch als Betreiber des Café Hahn bekannt. Der Flügel, den der 64-Jährige damals dort aufstellte, um bei Candle-Light-Dinners zunächst noch selbst in die Tasten zu greifen, ist heute, 40 Jahre nach der Gründung des Kulturklubs, nur eine von zahlreichen erzählenswerten Anekdoten.

Ältere Damen auf der Flucht

Die Geschichte des Familienbetriebs beginnt derweil lange vor dem Jahr 1981. Als an künstlerische Unterhaltung noch gar nicht zu denken war, betrieben Hahns Eltern in der Neustraße 15 bereits einen Supermarkt samt Bäckerei und kleinem Café. Ein „großer Tante-Emma-Laden", wie Hahn es rückblickend umschreibt, den der Kulturveranstalter Anfang der 1980er-Jahre im Zeichen bewährter Tradition übernahm und bald darauf um einen Restaurantbetrieb und - aus besagten Gründen - eine kleine Bühne erweiterte. „Ich selbst habe als Kind Klavierspielen gelernt, auch wenn ich in meinen künstlerischen Möglichkeiten begrenzt war, aber mein Interesse für Kultur ging weit darüber hinaus", zeichnet Hahn die Triebfeder hinter dem damaligen Schritt in Richtung Kleinkunstbühne. „Es lag daher nahe, die verfügbaren Räumlichkeiten zu nutzen und das bestehende Angebot um Auftritte von Bands oder Kabarettisten zu ergänzen."

Der Plan, auf diese Weise mehr Publikum ins Café Hahn zu locken, ging schließlich auf, wobei sich die professionellen Strukturen dieser Tage in den 1980ern zunächst nur erahnen ließen. „Es war eine schrittweise Entwicklung und zu Beginn vor allem Improvisation", erklärt Hahn. Bis zu zehn Bands traten in den Anfangsjahren bei „Café Hahn im Takt" nacheinander auf, gespielt wurde teils bis morgens um 6 Uhr, bezahlt nicht selten mit Freibier. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die Omas aus dem Café geflüchtet sind, wenn die Gruppen vor ihrem Auftritt mit den Proben begonnen haben", sagt Hahn und lacht.

Weitere Histörchen? „Die Bühne mussten wir damals - wenn notwendig - noch mithilfe gestapelter Bierkisten vergrößern, und Tubisten konnten nur im Sitzen spielen, da die Decke für die Akustik sonst zu niedrig war", fährt der 64-Jährige fort. Skandalträchtiges gab es im Übrigen zuweilen auch: So unterbrach etwa einst der legendäre US-Schlagzeuger Alphonse Mouzon sein Koblenzer Gastspiel, um sich erst mit einem Zuhörer zu prügeln und anschließend die Bühne zu verlassen.

Blasse Erinnerungen sind diese Schmonzetten dabei keineswegs, vielmehr Teil eines lebendigen Ganzen, was nicht zuletzt in den zahlreichen Metamorphosen begründet liegt, die das Café Hahn in den zurückliegenden Jahrzehnten vollzog. „Ich habe das Nachbarhaus gekauft, Formate wie ,Kabarett am Montag‘ oder die ,Koblenzer Blues-Sessions‘ ins Leben gerufen, beim Altstadtfest von Beginn an die Görresbühne betreut", blickt Hahn zurück. „Irgendwann kam dann noch das Programm auf der Festung hinzu, auf der wir dank des Fördervereins Café Hahn etwa das Horizonte-Festival oder die Gauklerfestung etabliert haben. So sind wir Schritt um Schritt gewachsen und dabei immer professioneller geworden."

Ein Prozess, der sich auch architektonisch manifestierte in einem 2003 anstelle des alten Café Hahn hochgezogenen Neubaus. „Den haben wir ganz nach unseren Bedürfnissen ausgestattet, unter anderem mit hohen Decken für die Trapezkünstler", erklärt Hahn, der in der Dekade zuvor, zwischen 1993 und 2003, mit der Blauen Biwel in der Altstadt zudem „den ersten Comedyklub Deutschlands" betrieb.

Gabi Köster etwa feierte dort ihre Premiere als Solokünstlerin - heute nur einer von vielen großen Namen, die sich über die Jahre in die lange Gästeliste des Café Hahn einschrieben. „Dave Brubeck, Kurt Krömer, Anke Engelke, Jango Edwards: In allen Bereichen, für die unser Haus steht - von Rock und Jazz über Kabarett und Artistik bis hin zu Varieté und Straßentheater -, waren die ganz Großen schon bei uns", sagt Hahn nicht ohne Stolz, um dann gleich einzuschränken: „Das war natürlich nicht immer so. Wenn ich in den ersten Jahren Künstler engagieren wollte, dachten die bei Café Hahn immer, sie müssten vor ein paar älteren Damen mit Windbeuteln in der Hand spielen."

Dass der Kulturklub den Cafétitel noch führt, als an die ursprüngliche Konditorei längst nur noch Erzählungen erinnern, sieht Hahn dabei nicht als Widerspruch. „,Café Hahn live und lecker‘ war immer schon unser Motto. Wir finanzieren uns bis heute aus der Gastronomie und zeichnen uns nicht zuletzt dadurch aus, dass es bei vielen Veranstaltungen, wie etwa unseren Varietés, neben Kultur auch leckeres Essen gibt", betont der 64-Jährige.

Womit die Rückschau allmählich in die Gegenwart gleitet - und damit geradewegs zu auf das leidige und doch dieser Tage unumgängliche Thema Corona. Die Pandemie, sagt Hahn, habe auch der Kleinkunstbühne ordentlich zugesetzt, die Türen in der Neustraße seien inzwischen seit mehr als zehn Monaten geschlossen. „Wir haben in der Zwischenzeit viel gestreamt, beispielsweise das neue Format ,Kontaktlos', im Sommer zudem mehrere Veranstaltungen auf der Festung angeboten."

Das habe - unter Einhaltung der jeweiligen Beschränkungen - funktioniert, „Geld verdient man damit allerdings nicht", sagt Hahn, der betont: „Ich bin froh, in Deutschland zu leben, denn ohne die umfangreichen Hilfen von Bund und Land gäbe es uns heute nicht mehr, so viel steht fest."

Enttäuscht sei er dagegen von der Stadt: „Wir bieten seit 40 Jahren Kultur, haben 54 Festangestellte, von denen in der Krise übrigens keiner entlassen wurde, zahlen Gewerbesteuer, und dennoch gab es vom Koblenzer Bürgermeister in den vergangenen Monaten nicht einmal ein gut gemeintes Wort", sagt Hahn. Doch: „Wir haben in der Vergangenheit ordentlich gewirtschaftet und werden die Pandemie überstehen, auch wenn der Lockdown noch ein halbes Jahr dauern sollte."

Und ohnehin blickt der 64-Jährige - auch im Angesicht des 40. Geburtstags seines Hauses - lieber nach vorn als zurück. Momentan, sagt er, könne man zwar nicht viel mehr tun als warten, doch bereits im Frühjahr soll's losgehen mit den Feierlichkeiten. „Wir planen an zwei Tagen ein Programm mit zahlreichen Gästen wie Lars Reichow, Roberto Capitoni oder Volker Weininger. Stephan Maria Klöckner (Musikprojekt Menino) tritt mit seiner Band auf, dazwischen wird es immer wieder auch Einspieler mit Grußworten geben, etwa von Malu Dreyer oder Michael Mittermeier", verrät Hahn. Wann die Veranstaltung stattfinde, hänge indes von der Entwicklung der Pandemie ab, fest stehe jedoch bereits das hybride Konzept. Heißt: „Wenn Publikum erlaubt ist, feiern wir mit Publikum, ansonsten wird das Programm eben gestreamt."

Die offizielle Geburtstagssause wiederum steigt dann am 28. August auf der Festung Ehrenbreitstein. Hierzu wurden - wie schon bei vorausgegangenen Jubiläen - wieder alle Künstler eingeladen, die in der Vergangenheit im Café Hahn aufgetreten sind. „Wir warten noch auf die Rückmeldungen, daher kann ich zum genauen Programm noch nichts sagen, aber es wird wie gewohnt auf fünf Bühnen gespielt, und zwischen den 45-minütigen Konzerten treten unterschiedlichste Comedians auf", sagt Hahn, der hofft, „dass bis dahin genug Menschen geimpft sind, um solche Veranstaltungen wieder durchführen zu dürfen".

Die Rente naht - auf dem Papier



„Vielleicht sitze ich irgendwann einfach nur noch an der Theke und höre zu."
Café-Hahn-Inhaber Berti Hahn (64) über seinen möglichen (Un-)Ruhestand

Ob er denn in zehn Jahren, zum 50. Geburtstag, immer noch in vorderster Front die Geschicke lenke, wollen wir zum Schluss noch wissen. „Ich bin jetzt 64 und könnte so langsam eigentlich in Rente gehen", antwortet Hahn. Und in der Tat schaue er sich bereits nach potenziellen Nachfolgern um, es gebe mehrere Interessenten, mit denen teilweise auch schon Gespräche geführt worden seien. „Eine Zeit lang", fügt der Kulturmacher hinzu, „darf es aber erst mal gern noch so weitergehen, schließlich kann man auch im Alter noch gute Musik hören oder Artisten bestaunen."

Wobei Berti Hahn auf dem Sofa ohnehin schwer vorstellbar scheint, während nebenan im Café Hahn der Bär steppt. „Vor Corona konnte ich mir das eigentlich ganz gut vorstellen, in der Pandemie, wo es wenig zu tun gab, habe ich dann aber gemerkt, dass ich gerade den Kontakt zu den Künstlern sehr vermisse", erklärt Hahn. Und nun? Ein Kompromiss? „Wer weiß", entgegnet der 64-Jährige, „vielleicht sitze ich irgendwann wie mein Vater einfach nur noch an der Theke und höre zu." Es wäre nur eine weitere Anekdote in der bunten Historie des Café Hahn.

    

    

Den elterlichen Laden (oben links, 1937) wandelte Berti Hahn nach der Übernahme 1981 sukzessive in jene Kleinkunstbühne um, die 2014 mit dem Live Entertainment Award als bester Klub des Jahres ausgezeichnet wurde. Dabei gingen große Namen aus Musik, Kabarett und Comedy im Café Hahn bereits vor der Fertigstellung des Neubaus 2003 (oben rechts) ein und aus - ob nun Komikerurgestein Ingo Appelt (linkes Bild, rechts) oder US-Clown Jango Edwards (rechtes Bild, rechts, mit dem ehemaligen Koblenzer Kulturamtsleiter Bert Flöck, Mitte, und Berti Hahn).

Quelle:
Rhein-Zeitung Kreis Neuwied, Mittwoch, 10. Februar 2021, Seite 23
Text: Stefan Schalles
Fotos: Wolfgang Vogt/Café Hahn (4)